Pop Art im Coverdesign – Interview mit Kuratorin Jennifer Liß
22. Februar 2019
Ausstellungsansicht,
BRITISH POP ART, 2019 © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen
|
Seit April
2018 ist die Kunsthistorikerin Jennifer Liß nun schon als wissenschaftliche
Mitarbeiterin in der LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen beschäftigt. Für die
aktuelle Ausstellung BRITISH POP ART–
Meisterwerke massenhaft aus der Sammlung Heinz Beck kuratierte sie den Plattencover-Bereich,
der u.a. das 1967 erschienene Beatles-Album Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band in den Fokus nimmt. Eine
Ikone der Musikgeschichte, im akustischen wie auch visuellen Sinne! Wie es zu dem
Kultstatus kam, erklärt Kuratorin Jennifer Liß im Interview:
2018 ist die Kunsthistorikerin Jennifer Liß nun schon als wissenschaftliche
Mitarbeiterin in der LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen beschäftigt. Für die
aktuelle Ausstellung BRITISH POP ART–
Meisterwerke massenhaft aus der Sammlung Heinz Beck kuratierte sie den Plattencover-Bereich,
der u.a. das 1967 erschienene Beatles-Album Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band in den Fokus nimmt. Eine
Ikone der Musikgeschichte, im akustischen wie auch visuellen Sinne! Wie es zu dem
Kultstatus kam, erklärt Kuratorin Jennifer Liß im Interview:
Peter Blake und Jann Haworth, Plattencover The Beatles zu Sgt. Pepper’s
Lonely Hearts Club Band, 1967 © Apple Corps. Ltd.
|
Wer ist eigentlich dieser Sergeant
Pepper und wieso hat er einen Klub der einsamen Herzen gegründet?
Pepper und wieso hat er einen Klub der einsamen Herzen gegründet?
Jennifer Liß:
Nachdem die Beatles bis 1966 ständig auf Tour gewesen waren, entschlossen sie
sich mit dem Album Sgt. Pepper’s Lonely
Hearts Club Band zu einem Imagewandel. Weg von den netten Jungs mit den
Pilzkopf-Frisuren, hin zu einer Band mit neuem Sound, tiefergehenden Lyrics und
anderem musikalischem Anspruch. Imagewechsel waren zu dieser Zeit noch gar
nicht so üblich, insofern war das ein mutiger Schritt. Und Sergeant Pepper diente ihnen dazu, ihre neue Identität zu formen.
Eine fiktive Marschkapelle, in der viele Vorbilder, Stars und sogar
Wachsfiguren der Beatles Platz
fanden.
Nachdem die Beatles bis 1966 ständig auf Tour gewesen waren, entschlossen sie
sich mit dem Album Sgt. Pepper’s Lonely
Hearts Club Band zu einem Imagewandel. Weg von den netten Jungs mit den
Pilzkopf-Frisuren, hin zu einer Band mit neuem Sound, tiefergehenden Lyrics und
anderem musikalischem Anspruch. Imagewechsel waren zu dieser Zeit noch gar
nicht so üblich, insofern war das ein mutiger Schritt. Und Sergeant Pepper diente ihnen dazu, ihre neue Identität zu formen.
Eine fiktive Marschkapelle, in der viele Vorbilder, Stars und sogar
Wachsfiguren der Beatles Platz
fanden.
Ausstellungsansicht,
BRITISH POP ART, 2019 © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen
|
Ausstellungsansicht,
BRITISH POP ART, 2019 © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen
|
Von Karl Marx über Bob Dylan bis hin
zum Guru Sri Paramahansa Yogananda – bei den „Klubmitgliedern“ handelt es sich
um etwa 70 prominente Persönlichkeiten verschiedener Zeiten und Länder. Vorne,
in unmittelbarer Nähe zu Marlon Brando, Oscar Wilde und Marlene Dietrich stehen
die Beatles höchstpersönlich, gekleidet in bunten Militärkapellentrachten. Wie
kam es zu dieser skurrilen Idee für das Plattencover?
zum Guru Sri Paramahansa Yogananda – bei den „Klubmitgliedern“ handelt es sich
um etwa 70 prominente Persönlichkeiten verschiedener Zeiten und Länder. Vorne,
in unmittelbarer Nähe zu Marlon Brando, Oscar Wilde und Marlene Dietrich stehen
die Beatles höchstpersönlich, gekleidet in bunten Militärkapellentrachten. Wie
kam es zu dieser skurrilen Idee für das Plattencover?
Jennifer Liß:
Wer nun wirklich die Idee für diese Art der Umsetzung hatte, ist etwas
umstritten. Aber die grundsätzliche Idee zu der neuen Alter-Ego-Band stammt von
Paul McCartney. Als die Idee gestreut wurde, sich in eine neue, fiktive Band zu
verwandeln, bekamen die Beatles von dem Galeristen Robert Fraser den Tipp,
Pop-Art-Künstler Peter Blake zu beauftragen. Schließlich wurde daraus sogar
noch eine Kooperation mit Jann Haworth, einer weiteren Künstlerin und damals
Ehefrau Blakes. Zusammen schufen sie diese lebensgroße Assemblage aus
Schaufensterpuppen und Pappaufstellern, denen die Gesichter berühmter Stars
aufgeklebt wurden. Hinzu kamen einige Wachsfiguren aus Mme. Toussauds – auch
ihre eigenen Abbilder wurden hinzugeholt und stehen in erster Reihe – sowie
diverser Figuren, Alltagsgegenstände wie Fernseher oder Wasserpfeife oder der
soft sculpture Granny von Jann
Haworth. Mit Hyazinthen wurde schließlich vorne das Beet bepflanzt, damit es
nach einem Park aussieht, in dem die Kapelle Rast macht. Das alles
machte vor allem auch einen organisatorischen Aufwand: Wer sollte überhaupt
Mitglied der Sgt. Pepper’s Lonely Hearts
Club Band werden? Die Bandmitglieder, Blake und Fraser schrieben Listen mit
ihren Wunschkandidaten. Die Abbildungen für die verschiedenen Berühmtheiten
mussten nicht nur besorgt, vergrößert und montiert werden, sondern auch
Bildrechte mussten eingeholt werden. Weil zum Beispiel Leo Gorcy eine Gebühr
für die Nutzung seines Fotos verlangte, wurde er kurzerhand entfernt. Hitler,
Gandhi oder Jesus galten als zu problematisch und wurden ebenfalls aus der
Gruppe genommen. Alles in allem wurde also ein großer Aufwand betrieben, um
dieses Albumcover zu gestalten. Dafür hat es sich jedoch gelohnt. Es wurde
immer wieder rezipiert, parodiert und ist bis heute zum bekanntesten Cover von
Peter Blake. Das Cover verbindet viele Pop-Art-Elemente wie den Starkult, die
Anspielung auf die damals neuen Medien sowie die Kunsttechniken Collage und
Assemblage.
Wer nun wirklich die Idee für diese Art der Umsetzung hatte, ist etwas
umstritten. Aber die grundsätzliche Idee zu der neuen Alter-Ego-Band stammt von
Paul McCartney. Als die Idee gestreut wurde, sich in eine neue, fiktive Band zu
verwandeln, bekamen die Beatles von dem Galeristen Robert Fraser den Tipp,
Pop-Art-Künstler Peter Blake zu beauftragen. Schließlich wurde daraus sogar
noch eine Kooperation mit Jann Haworth, einer weiteren Künstlerin und damals
Ehefrau Blakes. Zusammen schufen sie diese lebensgroße Assemblage aus
Schaufensterpuppen und Pappaufstellern, denen die Gesichter berühmter Stars
aufgeklebt wurden. Hinzu kamen einige Wachsfiguren aus Mme. Toussauds – auch
ihre eigenen Abbilder wurden hinzugeholt und stehen in erster Reihe – sowie
diverser Figuren, Alltagsgegenstände wie Fernseher oder Wasserpfeife oder der
soft sculpture Granny von Jann
Haworth. Mit Hyazinthen wurde schließlich vorne das Beet bepflanzt, damit es
nach einem Park aussieht, in dem die Kapelle Rast macht. Das alles
machte vor allem auch einen organisatorischen Aufwand: Wer sollte überhaupt
Mitglied der Sgt. Pepper’s Lonely Hearts
Club Band werden? Die Bandmitglieder, Blake und Fraser schrieben Listen mit
ihren Wunschkandidaten. Die Abbildungen für die verschiedenen Berühmtheiten
mussten nicht nur besorgt, vergrößert und montiert werden, sondern auch
Bildrechte mussten eingeholt werden. Weil zum Beispiel Leo Gorcy eine Gebühr
für die Nutzung seines Fotos verlangte, wurde er kurzerhand entfernt. Hitler,
Gandhi oder Jesus galten als zu problematisch und wurden ebenfalls aus der
Gruppe genommen. Alles in allem wurde also ein großer Aufwand betrieben, um
dieses Albumcover zu gestalten. Dafür hat es sich jedoch gelohnt. Es wurde
immer wieder rezipiert, parodiert und ist bis heute zum bekanntesten Cover von
Peter Blake. Das Cover verbindet viele Pop-Art-Elemente wie den Starkult, die
Anspielung auf die damals neuen Medien sowie die Kunsttechniken Collage und
Assemblage.
Ausstellungsansicht,
BRITISH POP ART, 2019 © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen
|
Nur ein Jahr später veröffentlichen
die Beatles ihr neuntes Studioalbum – bekannt als The White Album. Minimalistischer kann ein Design wohl kaum sein!
Weißes Klappcover, ohne Albumtitel und ohne Foto der Band. Lediglich der
farblose Prägedruck gibt einen Hinweis auf den Bandnamen. Auch diese Gestaltung
geht zurück auf einen Künstler der Pop-Art-Szene: Richard Hamilton. In welchem
Verhältnis steht das Design des Sgt.-Pepper’s-Albums und des White Albums zu
der musikalischen Entwicklung der Beatles?
die Beatles ihr neuntes Studioalbum – bekannt als The White Album. Minimalistischer kann ein Design wohl kaum sein!
Weißes Klappcover, ohne Albumtitel und ohne Foto der Band. Lediglich der
farblose Prägedruck gibt einen Hinweis auf den Bandnamen. Auch diese Gestaltung
geht zurück auf einen Künstler der Pop-Art-Szene: Richard Hamilton. In welchem
Verhältnis steht das Design des Sgt.-Pepper’s-Albums und des White Albums zu
der musikalischen Entwicklung der Beatles?
Jennifer Liß:
Musikalisch betrachtet sollte es ja bereits mit Sgt. Pepper in eine neue
Richtung gehen. Erstmals wurden zum Beispiel hier die Lyrics der Songs auf der
Rückseite des Covers abgedruckt – das hatte es vorher nicht gegeben! Mit dem
White Album wurde dann noch mehr Wert auf gute Lyrics und sinnhafte Songs gelegt.
Es gibt politische Inhalte, es gibt Kritik und Selbstreflektion. Es geht weg
von dem bunten Einerlei, das einfach nur viele Fans finden soll. Und so geht
auch das Cover künstlerisch weg von dem Vorherigen. Nach der überbordenden
Fülle des letzten Albums – was blieb noch übrig, um sich neu aufzustellen und
abzusetzen? Doch nur die absolute Reduktion. Statt vieler Details und bunter
Uniformen entschloss sich Hamilton dazu, alles Ablenkende auf die Innenseite zu
verbannen. Dort gab es sie aber noch – die Porträts der Bandmitglieder oder
eine Posterbeilage mit einer Collage von Fotos und Zeichnungen der Band. Diese
wurde ebenfalls von Hamilton gestaltet, womit wir wieder bei der British Pop
Art und ihrem liebsten Medium sind.
Musikalisch betrachtet sollte es ja bereits mit Sgt. Pepper in eine neue
Richtung gehen. Erstmals wurden zum Beispiel hier die Lyrics der Songs auf der
Rückseite des Covers abgedruckt – das hatte es vorher nicht gegeben! Mit dem
White Album wurde dann noch mehr Wert auf gute Lyrics und sinnhafte Songs gelegt.
Es gibt politische Inhalte, es gibt Kritik und Selbstreflektion. Es geht weg
von dem bunten Einerlei, das einfach nur viele Fans finden soll. Und so geht
auch das Cover künstlerisch weg von dem Vorherigen. Nach der überbordenden
Fülle des letzten Albums – was blieb noch übrig, um sich neu aufzustellen und
abzusetzen? Doch nur die absolute Reduktion. Statt vieler Details und bunter
Uniformen entschloss sich Hamilton dazu, alles Ablenkende auf die Innenseite zu
verbannen. Dort gab es sie aber noch – die Porträts der Bandmitglieder oder
eine Posterbeilage mit einer Collage von Fotos und Zeichnungen der Band. Diese
wurde ebenfalls von Hamilton gestaltet, womit wir wieder bei der British Pop
Art und ihrem liebsten Medium sind.
Der
Ausstellungsraum zeigt insgesamt 15 Plattencover von verschiedenen Künstlern
und Musikern. Pop Art und Pop Music gehen hier eine besondere Liaison
miteinander ein. Einerseits entlehnen die Künstler ihre Motive der
Populärkultur; andererseits wird das Kunstwerk, in Form des Plattencovers,
massenhaft produziert. Kunst und Massenkultur durchdringen sich gegenseitig. Inwiefern
verändert sich dadurch das allgemeine Kunstverständnis? Und welche Rolle spielt
dabei der Käufer des Endproduktes?
Ausstellungsraum zeigt insgesamt 15 Plattencover von verschiedenen Künstlern
und Musikern. Pop Art und Pop Music gehen hier eine besondere Liaison
miteinander ein. Einerseits entlehnen die Künstler ihre Motive der
Populärkultur; andererseits wird das Kunstwerk, in Form des Plattencovers,
massenhaft produziert. Kunst und Massenkultur durchdringen sich gegenseitig. Inwiefern
verändert sich dadurch das allgemeine Kunstverständnis? Und welche Rolle spielt
dabei der Käufer des Endproduktes?
Jennifer Liß: Zunächst wird die Kunst für
jeden erschwinglich, denn jeder, der sich ein Exemplar des White Albums oder anderer von Künstlern gestalteter Platten kaufte,
nahm ein Kunstwerk mit nach Hause. Es gibt hier keine Trennung mehr zwischen
einer Schicht, die sich Kunst leisten kann, und einer, die keinen Zugang dazu
bekommt. Sie wird massentauglich. Und dann bekommt der Käufer noch eine
partizipative Rolle. So wie bei einigen Kunstwerken, in denen Teile
ausgeschnitten werden sollen oder wie bei Joe Tilson’s Clip-O-Matic mit Wechselrahmen, können sie auch hier selbstständig
mitwirken. Gerade Sgt.
Pepper’s Lonely Hearts Club Band fällt hier auf. Jeder Käufer bekommt mit dem Album
auch einen Ausschneidebogen, auf dem er Schnauzbart, Orden und Streifen für die
Uniform heraustrennen kann. Mit ihrer Hilfe kann er selbst Teil der fiktiven
Band werden und sich zu den Stars der Gruppe hinzugesellen. Damit wird der
Käufer des Kunstwerks selbst Teil davon.
jeden erschwinglich, denn jeder, der sich ein Exemplar des White Albums oder anderer von Künstlern gestalteter Platten kaufte,
nahm ein Kunstwerk mit nach Hause. Es gibt hier keine Trennung mehr zwischen
einer Schicht, die sich Kunst leisten kann, und einer, die keinen Zugang dazu
bekommt. Sie wird massentauglich. Und dann bekommt der Käufer noch eine
partizipative Rolle. So wie bei einigen Kunstwerken, in denen Teile
ausgeschnitten werden sollen oder wie bei Joe Tilson’s Clip-O-Matic mit Wechselrahmen, können sie auch hier selbstständig
mitwirken. Gerade Sgt.
Pepper’s Lonely Hearts Club Band fällt hier auf. Jeder Käufer bekommt mit dem Album
auch einen Ausschneidebogen, auf dem er Schnauzbart, Orden und Streifen für die
Uniform heraustrennen kann. Mit ihrer Hilfe kann er selbst Teil der fiktiven
Band werden und sich zu den Stars der Gruppe hinzugesellen. Damit wird der
Käufer des Kunstwerks selbst Teil davon.
Ausstellungsansicht,
BRITISH POP ART, 2019 © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen
|
Die Ausstellung BRITISH POP ART – Meisterwerke massenhaft aus der Sammlung Heinz Beck. Special Guest: Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band ist bis zum 12. Mai 2019 in der LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen zu sehen. Erstmalig konzipierte die LUDWIGGALERIE einen SOUND-WALK, der den Ausstellungsrundgang musikalisch begleitet. Die Geräte können gegen eine Gebühr von 3 Euro an der Kasse geliehen werden.
Die Fragen wurden gestellt von Natascha Kurek.
Ausstellung Blogroll British Pop Art Künstler Museum Plattencover Schloss Oberhausen Über uns