5 Fragen an Julia Zejn
10. Dezember 2021Bevor es mit dem zweiten Teil unserer Interviewserie
losgeht, kurz ein paar Facts: Julia Zejn studierte Kommunikationsdesign mit
Schwerpunkt Illustration und Animation. Seit 2013 arbeitet sie freiberuflich
als Illustratorin, unter anderem für verschiedene Theaterproduktionen, zum
Beispiel für „Die Möglichkeit einer Insel” am Schauspielhaus Dortmund und „Die
Kinder von Opel” am Schauspielhaus Bochum. Währenddessen geht sie ihrer
Leidenschaft für’s Comiczeichnen nach. Sie veröffentlicht diverse
Kurzgeschichten und feiert mit der Graphic Novel „Drei Wege“ im Herbst 2018 ihr
lang erwartetes Debüt.
Nathalie Schraven: Wie kam es dazu, dass Sie Comiczeichnerin
geworden sind?
Julia Zejn: Es ist wahrscheinlich die langweiligste Antwort:
Ich habe schon als Kind gerne und viel gezeichnet und Geschichten gelesen. Es
hat dann eine Weile gebraucht, bis ich zum Comic kam. Zuerst habe ich
Kommunikationsdesign studiert und mich vor allem mit dem Animationsfilm
beschäftigt. Ich habe aber nach und nach gemerkt, dass es mir zwar sehr viel
Spaß macht, szenisch zu denken, ich jedoch keine Lust habe, stundenlang vor
Animationsprogrammen zu sitzen. Ich hatte während und nach dem Studium immer
den Drang, eigene Geschichten zu erzählen und nicht nur Auftragsarbeiten für
andere zu machen. Nach einem freien gescheiterten Kurzfilmprojekt habe ich mir
gesagt, einen Comic könnte ich ganz alleine durchziehen. Zu der Zeit habe ich
mehrere Kurzcomics gezeichnet und an Comic-Workshops teilgenommen und mehr und
mehr gemerkt, wie sehr ich es mag, über das Medium Comic meine Geschichten zu
erzählen.
Abb. Julia Zeyn, Ayahuasca, 2019 © Julia Zejn
NaS: Gerade erst ist Ihre Graphic Novel „Andere Umstände“
erschienen, in der Sie von einer jungen Frau erzählen, die ungewollt schwanger
wird und sich mit der Frage nach einem Schwangerschaftsabbruch auseinandersetzt.
Warum haben Sie dieses Thema gewählt?
JZ: Da mir feministische Themen am Herzen liegen und dieses
Thema weiterhin sehr aktuell ist. Viele denken, dass ein
Schwangerschaftsabbruch in Deutschland legal ist, aber der § 218 besagt, dass
ein Schwangerschaftsabbruch eine Straftat ist, die unter bestimmten
Voraussetzungen, wie die der Beratungspflicht und den drei Tagen Bedenkzeit,
straffrei bleibt. Das hat negative Folgen, wie zum Beispiel eine schlechte
Versorgungslage für ungewollt Schwangere. Außerdem war es mir wichtig, eine
„ganz gewöhnliche“ Geschichte über einen Schwangerschaftsabbruch zu erzählen
und dennoch Verständnis für die betroffene Protagonistin zu erzeugen.
NaS: Wie entwickeln Sie Ihre Figuren oder entwickeln sie
sich selbst?
JZ: Ich ziehe immer Inspiration aus meiner unmittelbaren
Umgebung und aus meinem eigenen Leben. Ich notiere mir Gespräche, die ich
mitbekomme, lese Romane, schaue Serien usw. Um die Charaktere authentisch
werden zu lassen, stelle ich mir viele Fragen wie zum Beispiel: „Wie sind die
aufgewachsen? Wie sieht ihr Alltag aus? Wie sind ihre politischen
Einstellungen? Sind sie introvertiert oder extrovertiert? Wer sind ihre
Freunde?“. Ich schreibe ihnen auch meist einen kurzen Lebenslauf und mache
einen Persönlichkeitstest für sie. Auf jeden Fall verbringe ich immer viel Zeit
damit und weiß letztendlich immer mehr über die Charaktere, als dann in der
Geschichte sichtbar ist. Was die Nebencharaktere angeht, so suche ich mir dann
auch manchmal Leute aus, die ich kenne und die mir dann als Vorbild dienen. Ich
arbeite nicht autobiografisch, dennoch stecken auch persönliche Erfahrungen in
meinen Geschichten und die Charaktere sind mir nicht völlig fremd.
NaS: „Ayahuasca“ – ein Comic über eine Szenendroge zwischen
Selbsterfahrung und Naturheilkunde ist nur in begrenzter Stückzahl als kleines
Magazin erhältlich, das sie mit Matthias Lehmann entworfen haben. Wieso haben
Sie sich entschieden, den Comic in limitierter Edition herauszugeben?
JZ: Neben meinen beiden Graphic Novels habe ich immer auch
Kurzcomics gezeichnet, in denen ich Stil und Storytelling ausprobieren kann –
sozusagen ein Raum zum Experimentieren. Etwas davon bei einem Verlag zu
veröffentlichen, war also nie der Plan. Außerdem macht es Spaß, sich mit
Freunden zu treffen, gemeinsam zu zeichnen und ein kleines Magazin zu planen.
NaS: Was würden Sie jemandem raten, der heute
ComiczeichnerIn werden möchte?
JZ: Ein Thema wählen, bei dem man die Energie hat, lange
dranzubleiben und einen Stil finden, der nicht perfekt ist, aber den man über
Jahre durchhalten kann. Und nicht aufgeben. Es gibt immer Phasen, in denen man
an den eigenen Projekten stark zweifelt.
Autorin: Nathalie Schraven
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