5 Fragen an Moritz Stetter
26. November 2021Comics gehören zur LUDWIGGALERIE wie die Farbe Rosa zur
Schlossfassade. In der neuesten Ausstellung „UNVERÖFFENTLICHT – Die Comicszene
packt aus! Strips and Stories – von Wilhelm Busch bis Flix“ begibt man sich auf
eine Entdeckungsreise von den Anfängen des Comics bis zu den aktuellsten und
brandheißen Entwicklungen der deutschsprachigen Comicwelt.
In unserer neuen Interview-Serie zur Ausstellung
möchten wir euch einen Einblick in die Gedankenwelt der gezeigten ComiczeichnerInnen
geben. Mit „5 Fragen – 5 KünstlerInnen“ nehmen wir kurz und knackig die wichtigsten
Themen ins Blickfeld. Dafür heißen wir in der ersten Ausgabe Moritz Stetter herzlich
willkommen. Er ist Comickünstler, Illustrator und Porträtzeichner und lebt und
arbeitet in Hamburg.
Abb. Moritz Stetter vor seinen Werken in der Ausstellung, 2021 © Moritz Stetter
Mit seinen ersten beiden Comic-Biografien Bonhoeffer
(2010) und Luther (2013) erarbeitete Moritz Stetter sich einen Namen in der
Comicszene. Seine Werke wurden bereits in zahlreichen Ausstellung, u.a. in
Frankfurt, Hamburg, Lissabon und Rom gezeigt. Jetzt gibt es einige seiner (bis
jetzt!) unveröffentlichten Werke in der LUDWIGGALERIE zu sehen.
Nathalie
Schraven: Was sind ihre persönlichen Favoriten
in „UNVERÖFFENTLICHT – Die Comicszene packt aus!“?
Moritz Stetter: Am meisten beeindruckt
haben mich die Originale von e.o.plauen und Wilhelm Busch. Gemeinsam mit diesen
Namen in einer Ausstellung vertreten zu sein, fühlt sich schon sehr surreal an!
Ähnlich verhält es sich mit meinem Kindheitshelden Brösel. Dass er in „Die
große Verarsche“ seine Pauschalurlaub-Spießerseite auspackt, war für mich
das inhaltliche Highlight der Ausstellung. In Adrian vom Baurs Projekt
„Die Anstalt“ durfte ich vor etlichen Jahren bereits einen Blick
werfen, eine beeindruckende Arbeit. Sehr schade, dass er sie abgebrochen hat.
Julia Bernhard zeigt sich in ihrer Bachelorarbeit von einer völlig anderen
Seite, das war die größte stilistische Überraschung der Ausstellung für mich.
Über „Hitler im Ersten Weltkrieg“ von Matthias Schultheiss hörte ich
über die Jahre in der Comicszene immer mal wieder Gerüchte und Geschichten.
Spannend, jetzt Originale dieses waghalsigen Projekts aus der Wild West-Zeit
deutscher Comicproduktion zu sehen.
2018/2019, Tusche auf Papier, digital koloriert © Moritz Stetter
NaS: Sie sind unter anderem durch Ihre
Comic-Biografien „Bonhoeffer“ und „Luther“ bekannt geworden. Welche
Schwierigkeiten ergeben sich bei der Darstellung und Aufarbeitung der
Geschichte bekannter historischer Personen?
MS: Die größte Herausforderung ist
einerseits, den Menschen im Kontext seiner Zeit zu begreifen. Die Brille
heutiger Weltanschauung, moralischer Vorstellung auch mal abzunehmen.
Gleichzeitig reizt mich bei historischen Themen aber immer die Spiegelung ins
Jetzt: Wie ist dieses Thema heute noch relevant? Welche Parallelen werden
sichtbar? Ansonsten bin ich ein Freund akribischer Recherche und entgegen dem
Trend in Filmen und Büchern skeptisch, was allzu große Freiheiten in der
Fiktionalisierung / Literarisierung historischer Persönlichkeiten angeht. Das
Leben hat nun mal keinen immer schlüssigen Spannungsbogen. Und den
Punk-Beethoven oder Luther als Actionheld darf jemand anderes zeichnen.
Abb. Moritz Stetter, Weil jeder woanders herkommt und woanders hingeht,
2013-2017, Tusche auf Papier, Graustufen digital koloriert © Moritz Stetter
NaS: Ihre Geschichten zeichnen sich
mitunter durch Figuren mit anthropomorphen Zügen aus. Wann und wie haben Sie zu
Ihrem eigenen Stil gefunden und wie schwer war für Sie diese „Reise zu sich
selbst“?
MS: Der Eindruck trügt vielleicht etwas
durch die beiden Beiträge in der Ausstellung. Anthropomorphe Figuren sind eine
Frühprägung, die ich manchmal in freien Projekten auslebe: zu viele
Entenhausengeschichten in Kindertagen, Erwachsenenversionen wie „Inspector
Canardo“ oder „Fritz the Cat“ in frühen Jugendjahren.
Anfangs kuckt man sich ganz viel ab,
schnappt auf, baut ein, kopiert, wandelt ab – mal mehr, mal weniger bewusst.
Wenn man das lange genug macht, bildet sich die eigene Handschrift ganz von
selbst aus. Es lohnt sich nicht, allzu bewusst an die Stilfindung heranzugehen.
Das verkrampft nur.
NaS: Was sind Ihre nächsten Projekte?
MS: Zwei
große Projekte sind noch nicht wirklich spruchreif. Eines geht in die
biografische Richtung, das andere in eine medizinische Sachbuch-Richtung.
Ansonsten habe ich gerade für die Akademie der Wissenschaften Hamburg eine
Comicseite zur „Philosophie der Quantengravitation“ gezeichnet. Diese
Science-Comics mit Kolleg*innen wie Birgit Weyhe oder Simon Schwartz gibt es ab
sofort online zu lesen unter https://www.awhamburg.de/wissenschaftscomics.html
NaS: Was würden Sie jemanden raten, der
heute ComiczeichnerIn werden möchte?
MS:
Frage dich: Gibt es IRGENDETWAS anderes, das mich beruflich erfüllen könnte?
Wenn du diese Frage mit Nein beantworten musst – und nur dann: Mach es! Es wird
steinig, aber auch unglaublich erfüllend sein.
UNVERÖFFENTLICHT – Die Comicszene packt
aus! Strips and Stories – von Wilhelm Busch bis Flix ist noch bis zum 16. Januar 2022 zu
sehen.
Autorin: Nathalie Schraven
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