5 Fragen an Thilo Krapp
17. Dezember 2021Thilo Krapp spricht mit
uns über seinen Weg zum Comiczeichner, die Recherche und den nächsten
Literaturklassiker, den er adaptieren wird. In seinem Portfolio finden sich die
preisgekrönte Graphic-Novel-Adaption von H. G. Wells’ „Der Krieg der Welten”,
Illustrationen für „Die drei ???” oder auch Lernkrimis wie „The Kiss of Death”
wieder. Besonders bekannt ist er auch für seinen Abenteuercomic „Damian &
Alexander”, der von den Erlebnissen des gleichnamigen Liebespaares handelt.
Seine Entwürfe um eine mögliche Fortsetzung sind Teil der Ausstellung
„UNVERÖFFENTLICHT – Die Comicszene packt aus! Strips and Stories – von Wilhelm
Busch bis Flix” und geben uns Hinweise, wie die Geschichte der beiden
weitergehen könnte.
Abb.
Thilo Krapp © Jens Feierabend
Nathalie
Schraven: Wie und warum sind Sie Comiczeichner geworden?
Thilo Krapp: Ich war es
eigentlich schon immer, das Medium hat mich nur erst finden müssen. Ich denke,
das war so im Alter von 5–6 Jahren, als ich einen
Comic das erste Mal von vorne bis hinten durchgelesen habe und völlig
fasziniert war. Ich kann mich sogar noch erinnern, was für einen und worin er
abgedruckt war: Es muss eine der Serien in „Fix & Foxi“ gewesen sein.
NaS:
Welche KünstlerInnen oder AutorInnen haben Sie besonders beeinflusst?
TK: Eine meiner
frühesten und nachhaltigsten Prägungen habe ich durch den Autor Raoul Cauvin
erhalten, der mit dem Zeichner Arthur Berckmans – kurz „Berck“ – die Serie „Sammy“ erschaffen hat, neben vielem
anderen, das er schrieb. Beides, die Erzählung Cauvins und die kongenialen
Zeichnungen Berckmans, haben mich tief beeindruckt. Dann sind es natürlich die
großen frankobelgischen Serien wie „Asterix“ und „Lucky Luke“, die mich
dauerhaft begleitet haben (sowie eine geraume Zeit die holländische Serie
„Franka“ von Henk Kuijpers). Aber natürlich hatte ich auch meine
„Moebius“-Phase, meine Bastien Vivès-Phase, und bewundere viele alte und neue
Zeichner wie zum Beispiel Thomas Campi oder Oriol Hernandez. Die Liste ist
endlos.
Abb. Thilo Krapp, Damian und Alexander, 2008 © Thilo Krapp
NaS:
Sie arbeiten zur Zeit an einem echten Klassiker: „20.000 Meilen unter
dem Meer“ von Jules Verne. Können Sie uns darüber etwas erzählen?
TK: Aber natürlich!
„20.000 Meilen unter dem Meer“ fasziniert mich, seitdem ich das Buch mal als
Adventsgeschenk als Kind bekam. Es war eine Ausgabe, in der man so richtig in
der Geschichte und den Bildern dazu versinken konnte. Dieses Erlebnis wollte
ich im Comic für mich wiederholen! Und so habe ich mich gefragt, was ich als
Nächstes tun wollte, nachdem ich „Krieg der Welten“ adaptiert hatte (zunächst
bei Egmont, jetzt im Carlsen Verlag in einer neuen farbigen Ausgabe
erschienen). Es war klar: Wenn ich wieder einen Klassiker aus demselben Genre
umsetze, dann muss es „20.000 Meilen unter dem Meer“ sein, weil es für mich der
nächste große Klassiker der Science-Fiction-Literatur ist.
Für einen Illustrator
ist es ein Leckerbissen, diesen Stoff anzugehen. Ich habe mir natürlich viele
Gedanken gemacht, wie ich die „Nautilus“, Kapitän Nemos Unterseeboot, gestalte
und da meinen eigenen neuen Ansatz gefunden, was ja eine der größeren
Herausforderungen bei einer Adaption dieses Buches ist. Zusätzlich habe ich
viel Wert auf das Spiel der Figuren miteinander gelegt, denn Vernes Buch ist
ein veritables Buch über die Freundschaft: wie hält man es aus, von einem
Terroristen wie Nemo entführt zu werden, eine unterschiedliche Einstellung dazu
zu haben und darüber nicht die Freundschaft zerbrechen zu lassen? Denn genau in
dieser Situation sind ja Arronax, Conseil und der Harpunier Ned Land, die mit
Nemo diese unterseeische Weltreise machen. Außerdem habe ich einige ökologische
Aspekte an dem Stoff aufgegriffen, die bei Verne schon anklingen – ich betone sie allerdings
hier und da stärker.
Abb. Thilo Krapp, Damian und Alexander, 2008 © Thilo Krapp
NaS: In den Werken „Die Lichter von
Paris: Émilie auf der Weltausstellung“ und „Émile in Berlin: Mäusejagd im
Warenhaus“ zeigen Sie eine große Liebe zum Detail für Stadtansichten und
nostalgische Architektur. Wie gehen Sie bei Ihrer Recherche vor?
TK: Ich liebe
Recherche, daher scheue ich den Aufwand auch nicht, und der geht in
verschiedene Richtungen. Einerseits mag es die Bildersuche im Internet geben,
die bei einem Thema wie der Weltausstellung in Paris 1900 auch viele Treffer
erzielt. Aber dann hat man diese wunderbaren Vorlagen für die tollen
Attraktionen auf der Ausstellung –
und muss sie erstmal
richtig zuordnen, bevor man weiß, ob man sie in der Geschichte, die man sich
ausdenken will, verwenden kann und wie. Es ist ja ein reales historisches
Thema, und da muss jeder Fakt verifizierbar sein. Also liest man zusätzlich
noch viele Bücher, Artikel und alte (oder neue) Aufsätze zu dem Thema (in denen
die Bilder dann zum Teil abermals und oft in besserer Qualität vorkommen, sowie
mit Infos). Im Falle von „Émile in Berlin“, das ja im ebenfalls tatsächlich
existiert habenden Warenhaus Wertheim in Berlin 1904 spielt, hatte ich das
große, große Glück, eine Doktorarbeit zu den Bauten des Wertheimkonzerns
vorliegen zu haben, die auch toll bebildert war und vor allem auch Angaben
machte, welcher Raum im Warenhaus wann, wo und in welchem Zustand existierte.
Diese Waren- und Kaufhäuser wurden ja ständig umgebaut – meine Geschichte
spielt aber im Dezember 1904, zu einer festen Zeit an einem festen Ort. Dabei
half mir dieses Buch sehr, zumal es auch Beschreibungen der Farben gab, die die
Objekte und Materialien im Warenhaus hatten – bei überwiegend Schwarz-Weiß-Fotos, die
aus dieser Zeit existieren, sehr wertvolle Informationen für ein in Farbe zu
illustrierendes Kinderbuch.
Auch bei „20.000 Meilen
unter dem Meer“ habe ich sehr viel recherchiert, zum Beispiel zu Stahl- und
Eisenarchitektur des 19. Jahrhunderts, sowie Jugendstil-Interieurs, da ich
diesen fließenden, an Wasser- und Naturformen orientierten Stil für die
Innenausstattung der „Nautilus“ für eine schöne Idee hielt.
NaS: Was würden Sie jemanden raten, der
heute ComiczeichnerIn werden möchte?
TK:
Dass
er sich auf das verlässt, was in in diesem Beruf interessiert. Es ist ja ein
sehr aufwändiger Beruf, und meines Erachtens nach kommt es drauf an, dass man
sich auf sein Gefühl verlässt, was für Geschichten und in welchem Stil sie
einen faszinieren, damit man es schafft, die Werke, an denen man arbeitet, zu
zeichnen. Für‘s Zweifeln an der eigenen Präferenz lässt dieser Beruf
schlichtweg keine Zeit, denke ich. Natürlich sollte man sich erlauben, rechts
und links zu schauen und Ausflüge in andere Genres – oder besser:
Geschichten-Welten – mal auszuprobieren. Aber beim Comic-Zeichnen ist es anders
als beim „normalen“ Illustrieren (das man zusätzlich aber auch pflegen sollte):
Wofür man sich entschieden hat, zu zeichnen, daraus kommt man erstmal eine
ganze Weile nicht mehr heraus, – einfach, weil es so viel zu zeichnen ist. Es
dauert schlichtweg. Daher kommt es darauf an, ob man wirklich genau das
zeichnen will, was man sich vorgenommen hat oder ob es zumindest innerhalb des
eigenen Geschmacks liegt und sich in der Welt bewegt, die man liebt. Mitunter
muss man sich das auch immer wieder mal neu fragen.
Und außerdem: vernetzen! Und die
Kolleg*innen suchen, die man mag und deren Rat einem wichtig ist.
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