Der Mann der Zahlen: Dr.-Ing. Christoph Diekmann und die Statik von Red Heels

5. Februar 2021

Am 20. März 2021 wird die Skulptur RED HEELS von Heiner Meyer an der LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen enthüllt. Sie findet ihren Standort zentral vor der Schlossfassade an der Konrad-Adenauer-Allee und viele Menschen, die dann an ihr vorbeifahren, werden sicher denken: „Wie toll!“ Unwillkürlich mögen sie sich aber auch fragen: „Wie ist die denn eigentlich so schnell hier hingekommen? Meine Güte, sie scheint geradezu vom Himmel gefallen zu sein!“ Nein, mitnichten ist sie das. Von der Idee bis zu Enthüllung brauchte es einen etwa zwei Jahre dauernden Prozess. Wir, vom Team der LUDWIGGALERIE, finden diesen so spannend, dass wir unseren Leserinnen und Lesern in den nächsten Wochen einen Einblick geben möchten. In loser Reihenfolge veröffentlichen wir deshalb Blogbeiträge mit Schilderungen der verschiedenen, am Entstehungsprozess beteiligten, Gewerke. Wir hoffen, dass Sie diese Berichte genauso spannend finden wie wir und, dass sie dazu anregen, sich die Skulptur bei Gelegenheit einmal selbst anzuschauen.

Wir starten heute mit Erläuterungen zur Statik der Skulptur, die von Dr.-Ing. Christoph Diekmann, Ingenieurbüro Diekmann in Oberhausen, stammen.

Als Jutta Kruft-Lohrengel, 1. Vorsitzende des Freundeskreises der LUDWIGGALERIE, um die statische Bearbeitung für eine Skulptur anfragt, die für die LUDWIGGALERIE gedacht ist, war meine erste, aus heutiger Sicht recht profane Reaktion: Für meinen Gartenbrunnen brauche ich auch keine Statik. Sofort aber schoss mir die naheliegende, baulich begründete Frage durch den Kopf: Ist eine Skulptur nicht doch ein Gebäude oder eine bauliche Anlage gemäß Landesbauordnung, für das eine Statik benötigt wird? Letztendlich muss die Standsicherheit eines Bauwerks aber, so oder so, gewährleistet werden. Also war meine Reaktion angesichts einer solch unüblichen und nicht jeden Tag gestellten Anfrage: „Schaun mer mal“.

Schnell stellt sich heraus, dass der künstlerische Entwurf eine etwa sechs Meter hohe Skulptur aus sieben verschiedenen Schuhmodellen, die räumlich übereinander angeordnet sind, vorsieht.

Anordnung der Schuhe und Bezeichnungen der Flächen © Statikbericht Ingenieurbüro Diekmann

Daraus ergeben sich für mich eine Reihe zu berücksichtigender Aspekte:

Blechdicke und Verzug

Damit die einzelnen Elemente stabil bleiben, wurde eine Blechdicke von rund 30 mm festgelegt. An der Fußplatte sind etwa 2,2 Tonnen Eigengewicht aufzunehmen und die Bauteile dürfen sich durch Schweißverzug und Transport nicht verziehen. Schweißverzug kann zum Beispiel durch die Wärmezufuhr beim Schweißen entstehen. Dadurch verformen sich die Blechteile. Dies ist durch sorgfältige Planung des Schweißprozesses zu vermeiden. 

Die Schwerpunktermittlung

Jedes der einzelnen Schuhelemente hat eine eigene Geometrie. Dies macht die Ermittlung der Schwerpunkte aufwändig. Um den künstlerischen Entwurf möglichst originalgetreu zu übernehmen, erfolgte die gesamte Bearbeitungskette mittels 3D-Modellierungs-Software. Die Einzelformen wurden digital vom Entwurf des Künstlers Heiner Meyer übernommen und als 3D-Modell abgebildet. Daraus wurde dann ein Berechnungsmodell zur Ermittlung des Kräfteverlaufs abgeleitet; parallel wurden die Fertigungsdaten generiert. Diese dienen schließlich als Grundlage für den computergestützten Zuschnitt der Blechteile bei der Firma Franken Apparatebau in Oberhausen.

© Statikbericht Ingenieurbüro Diekmann

Windanfälligkeit

Jedes einzelne Schuhmodell ist etwa 1 m² groß, sodass sich eine recht nennenswerte Windangriffsfläche ergibt. Zudem wiegt jedes Schuhelement rund 300 kg, sodass auskragende Details an den Elementen hohe Anschlusskräfte erzeugen. Damit sich eine stabile Gesamtkonstruktion ergibt, muss die jeweilige Kontaktfläche zwischen zwei Stücken hohen Druck- und Biegebeanspruchungen standhalten.

Kontaktflächen

Eine große Herausforderung ergibt sich aus der Tatsache, dass sich die Elemente zum Teil nur punktweise berühren, es also nur geringe Kontaktflächen gibt. Die Übertragung der Anschlusskräfte stellt dadurch besondere Anforderungen an die geometrische Ausführung und die Schweißtechnik. (Die Kontaktflächen sind blau gekennzeichnet.)

Schuh 5 mit gekennzeichneten Schweißnähten © Statikbericht Ingenieurbüro Diekmann

Der Transport

Die Skulptur muss in der Werkstatt zusammengebaut werden, weil ein Zusammenbau vor Ort nicht den geschilderten hohen Qualitätsanforderungen entspricht. Damit muss das große und schwere Gesamtmodell mit dem Kran in der Werkhalle bewegt, mit dem Tieflader transportiert und mit einem Autokran aufgestellt und montiert werden. Die dabei entstehenden Kräfte müssen ebenfalls durch die Schweißnähte an den Kontaktpunkten sicher übertragen werden. Für die Aufstellung ist das Fundament vorgesehen, das sich neben dem Fußweg vor dem Schloss befindet und das etwa 3,30 x 5,50 Meter misst. Auf ihm wird die Gesamtstruktur aufgestellt und eingedübelt. Übrigens: Dort ist ehemals die Skulptur des Künstlers Keith Haring, Head through Belly, zu sehen gewesen.

Keith Haring-Skulptur „Head through Belly“ im Jahr 2013 © Thomas Wolf

Zusammenfassung

Die eigentliche statische Berechnung ist die rechnerische Simulation der Lasten auf die Skulptur zur Ermittlung des Kraftverlaufes. Damit werden die besonders beanspruchten Bereiche berechnet. Für die unregelmäßigen und flächigen Schuhelemente in räumlicher Anordnung stellt dies eine ungewöhnliche Aufgabe dar.

Spannungen an den Einzelblechen, Schuh 5 und 6 © Statikbericht Ingenieurbüro Diekmann


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