Hey Honey, keine Panik – Zur Schrift in Udos Kunst

15. Oktober 2025

Wer bereits einen Blick in unsere Ausstellung Udo Lindenberg. Kometenhaft panisch – Likörelle, Udogramme, nackte Akte & viel mehr. Das ganze Udoversum kommt ins Ruhrgebiet! werfen konnte, hat sicher bemerkt, dass Udos Werke oft mit augenzwinkernden Kommentaren wie Alle Tage sind gleich lang ‒ jedoch verschieden breit, mit Songzitaten wie Gitarren statt Knarren oder geflügelten Begriffen wie No Panic versehen sind. Udo verknüpft Motiv und Text kongenial ‒ die Schrift kann Kommentar, Pointierung oder eigenständiges erzählerisches Element sein. Schrift ist also fest in Udos bildnerischen Universum verankert

 

Frühes und F(ph)onetisches

Die frühen Skizzen der 1970er Jahre zeigen Schriftliches vor allem in Form von Aussagen, Halbsätzen oder Dialogen, die Udo – meist Personen aus seinem Umfeld – in den Mund legt. Die Schreibweise verstärkt oft die Haltung der Figuren. So etwa in den Zeichnungen Zadek und Udo sowie Peterchen, keine Panik von 1979. In dieser Zeit arbeiten Udo und Peter Zadek, von 1972 bis 1979 legendärer Intendant am Bochumer Schauspielhaus, im Rahmen der spektakulären Rock-Revue Dröhnland Symphonie zusammen. Im Katalog zur Ausstellung heißt es: „Während der Arbeiten an der Bühnenshow fertigt Udo Scribbles vom Regisseur und sich an. Einmal freundschaftlich verbunden, einmal empörend gestikulierend.“

A black-and-white cartoon shows two pairs of people. The top pair stands side by side; one says “Wir wollen die … das …” and points at the other. The bottom pair acts dramatically, with speech bubbles in German.

Peterchen, keine Panik, 1979 @ Udo Lindenberg Archiv

In Peterchen, keine Panik zieht der sichtbar aufgebrachte Zadek das U in „Udo“ zu Uhdo in die Länge und steigert das Wort wahnsinnig zu einem gedehnten waahnsinnich. Die Schrift greift hier direkt in die Körpersprache ein – Lautmalerei als Ausdruck von Temperament. Bei Lindenberg ist Schrift kein Beiwerk, sondern Teil der Bildkomposition – Sprache wird gleichgesetzt mit Farbe und Linie.

Neben dem Gesprochenen wird Text auch als erzählendes Element verwendet. Udos Porträts von seinem Freund Meise kommentieren in knapper, pointierter Manier, z. B. in Meisi in action, dessen amouröse Abenteuer.

A hand-drawn sketch of two people lying on their backs, one on top of the other, with the handwritten words Mési in action above. The drawing is on a rectangular Jacobs coffee label.

Udo und Meise, Meise in action, 1979 © Udo Lindenberg Archiv

 

Wortspiele und Verschmelzungen

Neben immer wieder eingestreuten Anglizismen kreiert Udo auch eigene Wortschöpfungen, oft in Verbindung mit gesellschaftlichen Typen. In Ice Cold Eskimöse aus dem Jahr 2006 zeigt er eine Gruppe von Inuit in schneeweißer Kleidung vor eisblauem Hintergrund. In der oberen rechten Ecke fällt eine unbekleidete Frauenfigur aus der Reihe. Sie ist überschrieben mit Eskimöse. Sprache und Bild verschmelzen zu einem Klischeespiel. Unten rechts inszeniert sich Udo – wie so oft – mit erhobenem Glas als Teil der Szene.

A colorful, abstract drawing of nine people in winter clothes, some with hoods, labeled with words like ICE, COLD, COOL, and sledge-hammer. One person holds a dog and another holds a candle. Blue and yellow background.

Ice Cold Eskimöse, 2006 © Udo Lindenberg Archiv

Auch Keine Panik in Hippiehausen (2006) steht exemplarisch für seinen Umgang mit Sprache: Der Titel Keine Punik verschmilzt Punk und Panik zu einem eigenen Begriff. Solche Kofferwörter sind Teil seiner visuellen Pop- und Cartoon-Sprache, die mit Überzeichnung und Sprachwitz arbeitet – ganz in der Tradition von Comic und Karikatur, denen sein Stil Tribut zollt.

A colorful cartoon drawing of five punk-style figures with spiked hair, tattoos, and bold outfits. Some have flowers in their hair. Graffiti text says “Keine Punik,” “NO FUTURE,” and “NO WAR” against a yellow background.

Keine Panik in Hippiehausen, 2006 © Udo Lindenberg Archiv

Geniales und Gemeinsames

Besonders prägnant wird die Schrift in den Werken, die Udo 2005 für die Kampagne Du bist Deutschland gestaltet. Die Kampagne zielte auf ein neues Selbstverständnis und die Frage nach Zugehörigkeit. In Ich bin Maria Callas – Du bist Deutschland streckt eine übergroße, überzeichnete Diva ihre Arme aus, als würde sie den Satz weiterreichen. Hinter ihr steht ein kleiner Udo, beschriftet mit Udo L. – wieder klar erkennbar, aber zugleich Teil eines größeren „Wir“. Betrachter*innen werden hier selbst zum Teil einer Gemeinschaft mit Prominenten wie Udo und Maria Callas; denn sie alle repräsentieren Deutschland.

Cartoon on a yellow background. A large woman in a green dress and red heels says, Ich bin Maria Callas. A small man with a cap, cigarette, and jacket says, Udo L. Nearby, text reads, Du bist Deutschland.   A cartoon shows a small, worried boy in shorts facing a large person in a skirt and sandals, who points at him. The words Du bist Einstein. are written above them on a green background.

Ich bin Maria Callas - Du bist Deutschland und Du bist Einstein III, beide 2005 © Udo Lindenberg Archiv

Kurioser kommt Du bist Einstein III daher. Eine Frau zeigt auf einen unbeholfen dreinblickenden Jungen. Sie scheint selbst überrascht zu sein, dass sie ihn mit Du bist Einstein betitelt. Wohl ein mutmachender Wink an sich selbst zweifelnden Betrachter*innen? Wie es so schön im Katalog zur Ausstellung heißt: „Udos Botschaft: Auch Du bist Einstein!”

 

Und nun bist du an der Reihe: Welche Zitate, Wortspiele oder Kommentare entdeckst du in Udos Kunst? Noch bis zum 23. November lädt das Udoversum dazu ein, Sprache und Bild gemeinsam zu lesen. Im nächsten Blogbeitrag werfen wir dann einen Blick auf die musikalischen Anfänge – und zeigen, wie wir im Format Ton & Tusche Udos Alben der 70er Jahre mit seinen Kunstwerken verbinden.

Lena Elster


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