International Artist Day: Udo und die Kunst

25. Oktober 2025

Heute ist Tag der Künstler – Grund genug, sich Udo Lindenbergs zweite große Bühne vorzunehmen: die Leinwand. In früheren Beiträgen haben wir einzelne Kapitel seiner künstlerischen Laufbahn aufgeschlagen. Diesmal blicken wir auf das große Ganze: Wie wurde aus Skizzen ein Stil, aus Strichen ein Statement, aus dem Musiker ein Maler? Wir folgen den Spuren eines Künstlers, der nie stillstand.

 

Vom Strichmännchen zum Kosmos

Im Katalog zur Ausstellung Udo Lindenberg. Kometenhaft panisch – Likörelle, Udogramme, nackte Akte & viel mehr. Das ganze Udoversum kommt ins Ruhrgebiet! zeichnet Christine Vogt Udos Weg nach und schaut dem Musiker dabei ganz genau auf die malenden Finger. Schon sein ganzes Leben lang zeichnet Udo und hätte bestimmt selbst nicht erwartet, welche großen Kreise seine anfänglichen Strichmännchen einmal ziehen würden.

In den 1970er Jahren erblickt Udos Figurenpersonal das Licht der Öffentlichkeit und tummelt sich auf den Seiten seines ersten Buches Udo Lindenberg. Albert Alptraum bis Votan Wahnwitz. 1977 erscheint die Single Kurt Richter-Blues – erstmals mit selbstgezeichnetem Cover. Aus dieser Zeit stammen auch die Kneipenzeichnungen: kleine Werke auf schlichten Kellnerblöcken. Die Figuren tragen noch nicht die unverwechselbare Handschrift Udos, die sich erst später herausbildet. Erkennbar ist aber schon ein wiederkehrendes Motiv: der hoch erhobene Zeigefinger, der Bild und Text betont.

A black-and-white illustrated record cover and vinyl. The cover shows musicians celebrating with the text in German: Der Kurt Richter Blues. Ein Blues—nur für dich! and Herzlichen Glückwunsch!.Three hand-drawn cartoon panels on a Jever Pilsener coaster show two people talking; one raises a finger, the other holds a glass and says “Prost!” Both have exaggerated facial features and long hair.

Der Kurt Richter Blues, 1977 | Kneipenzeichnungen 1970er Jahre © Udo Lindenberg Archiv

In den Folgejahren taucht Udos Kunst immer wieder in Verbindung mit seiner Musik auf; etwa auf Promo-Samplern oder einem Poster, das dem Album Götterhämmerung beiliegt. Udo porträtiert sich zunehmend selbst – zunächst noch ohne Sonnenbrille, aber schon mit Hut und langen Haaren. Echte Fans kennen natürlich auch die Udogramme, kleine Bildchen, mit denen Udo seine Signatur ausschmückt und einzigartig macht. Auch in diesen lässt sich eine deutliche Entwicklung nachvollziehen: War sein Konterfei anfangs noch mit runder Nase, Knopfaugen und weichem Kinn versehen, werden später Nase und Kinn markanter, die Augen verborgen, das Lächeln süffisanter.

A hand-drawn poster with numerous cartoon-like figures and scenes, some labeled in German. The title at the top reads Und Götterdämmerung. The drawings depict various characters and interactions.           A cartoon calendar page shows two nude adults standing and facing each other while two children sit nearby. The background is yellow, and several framed artworks hang on the wall behind the calendar.

Götterhämmerung, 1983 | Kunstkalender Kosmos, 1995 © Udo Lindenberg Archiv

Trotz dieser Vorläufer datiert Udo selbst sein künstlerisches Debüt auf das Album Kosmos von 1995. Für zwölf Songs kreiert er Bilder, die in einem Kunstkalender veröffentlicht werden. Obwohl die Platte kein Hit wird, markiert sie doch den Start seiner offiziellen Malkarriere. Auf dem Album Und ewig rauscht die Linde von 1996 ist das Lindenberg’sche Selbstporträt schließlich vollends geboren: im Profil, mit Hut und Sonnenbrille – schlicht, aber ausdrucksstark.

 

Farbenlehre à la Udo

In einem früheren Blogartikel haben wir bereits ausführlich das hochprozentige Malexperiment namens Likörell vorgestellt: Ein Glas Likör, ein buntes Aufblühen auf nackten Zeichnungen – und schon ist Udos Trademark geboren! Die Neuartigkeit der Technik und die Entscheidung, den Begriff „Likörell“ schützen zu lassen, markieren einen Meilenstein in Udos künstlerischem Schaffen. Auch sein ironischer Umgang mit Kunst und Kunstgeschichte hebt ihn hervor: So entwickelt er seine eigene kleine Farbenlehre – Flasche – Essenz – Spirit – und erklärt sie augenzwinkernd zur „Kunst“.

A white paper with colorful splashes labeled as cocktail ingredients: blue (Blue Curaçao), red (Grenadine), green (Pfefferminz likör), orange (Orange), yellow (Calva), and a pale area (Batida de Coco). Handwritten notes and a signature.      Cartoon-style drawing of people and mermaids raising glasses around a ship labeled Andrea Doria, with fish and a shark swimming nearby in blue-green water. The scene is whimsical and celebratory.

Likörell 1, 1997 |  Andrea Doria I, 2002 © Udo Lindenberg Archiv

Udo spielt humorvoll mit seiner Rolle, nimmt sich selbst nie zu ernst und setzt sich zugleich immer wieder ikonisch in Szene: als Galionsfigur auf der Andrea Doria oder als König von Scheißegalien. Er thematisiert sich in seinen Bildern häufig selbst, lässt aber offen, was Inszenierung und was „echter Udo“ ist. Gerade dieses Spiel mit Identität und Image macht einen großen Teil seiner künstlerischen Marke aus.

Mit den Likörellen gewinnen Udos Werke an Farbe und Ausdruck. Er malt sich seine „Bunte Republik Deutschland“ und lässt seine Menschenfamilie in allen erdenklichen Tönen erstrahlen.

 

Kunst als Haltung

Neben seinem Stil sind auch die Inhalte unverkennbar „Udo“. Wer glaubt, dass seine Kunst nur aus nackten Akten in frivolen Posen besteht, liegt daneben: Lindenberg transportiert über seine Bilder klare gesellschaftliche Botschaften.

Im Udoversum leben verschiedene Gruppen friedlich nebeneinander – Werke wie Gitarren statt Knarren (2008) oder Bunte Republik Deutschland I und II (2006) zeugen von seinem Wunsch nach Diversität, Toleranz und Zusammenhalt. Mit Witz und Farbe verpackt er ernste Themen und Werte.

A colorful cartoon shows a person in a suit and hat on a wheelchair drawn by two blue horses, holding a staff with a parrot. People around, some with drinks, interact energetically against an orange background.     Four identical men in suits and holding clubs stand in a row, emerging from a dark, rectangular shadow, with the front figure reaching out. The artwork is signed Wolinski 2000.

Bunte Republik Deutschland II, 2006 | Gegen Rechte Gewalt - Pimmelköppe I, 2000 © Udo Lindenberg Archiv

Eine besonders deutliche Positionierung zeigt die Serie Gegen rechte Gewalt, entstanden im Zusammenhang mit seinem Song Pimmelkopp (2000). In dunkleren, erdigen Tönen als sonst dargestellt, wirken die dumpfen, glatzköpfigen Figuren bedrohlich und grotesk. Die expressive, teils mit Blut und Schmutz gemalte Oberfläche verstärkt die Dringlichkeit des Themas – Gewalt wird hier nicht ästhetisiert, sondern angeklagt.

 

Einfach Udo – Rock’n’Roll, Likör und Frieden

Die Entwicklung von Udos Kunst – von frühen Kneipenzeichnungen über Likörelle bis hin zu monumentalen Menschenszenen – zeigt, wie sich der Künstler im Laufe der Jahre eine unverwechselbare Bildsprache erarbeitet hat.

Ein Zusammenspiel aus Stil, Technik und wiederkehrenden Motiven trägt den unverkennbaren „Udo-Stempel“. Und so wissen nicht nur eingefleischte Fans: Das muss ein echter Lindenberg sein!

Lena Elster


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