A gallery wall displays fifteen framed abstract watercolor and ink drawings, each featuring unique shapes, figures, and soft colors, arranged irregularly on a white background.
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Likörelle – ein Erfolgsrezept Lindenberg’scher Art

7. Oktober 2025

Ein Glas kippt, der Eierlikör läuft – und plötzlich blüht eine Zeichnung in leuchtenden Farben auf. So erzählt es der Mythos um die Erfindung der Likörelle. Ort der Legende: die Bar des Hamburger Hotel Atlantic, Lindenbergs zweites Wohnzimmer. Andere verorten den Ursprung auf Sylt. Entscheidend ist nicht, wo es geschah – sondern dass Udo aus einem Zufall sein Markenzeichen machte: das Likörell, eine Wortschöpfung aus Likör und Aquarell.

Likörelle können nun in unserer aktuellen Ausstellung Udo Lindenberg. Kometenhaft panisch – Likörelle, Udogramme, nackte Akte & viel mehr. Das ganze Udoversum kommt ins Ruhrgebiet!, neben vielen weiteren Bildern in Acryl- und Aquarellfarben oder in Edding, im Original bestaunt werden.

 

Aber wie genau entstehen die Likör-Bilder, wenn nicht aus Zufall und was erzählen die Werke in dieser einzigartigen Maltechnik?

Mit seinem neuen Selbstverständnis, nun auch als bildender Künstler aufzutreten, intensiviert Lindenberg in den 1990er Jahren das Zeichnen und Malen und die verblüffend-schöne Farbwirkung der Liköre begeistert ihn sofort. Neben Eierlikör, der für das Gelb von Sand und Sonne sorgt, bringt er Blue Curaçao für Blau, Batida de Coco für Weiß, Pfefferminzlikör für Grün und Grenadine für Rot zum Einsatz. Auch eine weitere alkoholische Substanz darf es sein: So steuert Kaffeelikör die Brauntöne bei. Lindenberg trägt das Hochprozentige mit dem bloßen Finger auf, wodurch ein fließender, grenzauflösender Effekt erzeugt wird. Die Farben, selten verwendet er mehr als zwei oder drei pro Bild, lenken den Blick, setzen Körperteile und Kleidungsstücke in Szene, erwecken die Zeichnungen zum Leben. Aus Sektgläsern schäumt, sprudelt und spritzt der bildliche und tatsächliche Alkohol hervor, die Bewegung von tanzenden Menschen bekommt durch die sich miteinander vermischende Farbigkeit eine eigene Dynamik.

Mit Fixativ und einer Sicherung hinter UV-Glas werden die Werke aufbewahrt. 1997 lässt sich Lindenberg die Bezeichnung Likörell schützen. „Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal mit großem Wiedererkennungswert, das ihm außerdem einen Platz in der Kunstgeschichte sichert“, schreibt Dr. Christine Vogt in dem die Ausstellung begleitenden Katalog.

 

Thematisches

Auf seinen Likörellen tummeln sich in typischer Udo-Manier kuriose Gestalten. Aber auch Nachdenkliches und Ironisches (Realität ist nur eine Illusion, die sich durch Mangel an Alkohol einstellt I) und natürlich der Künstler selbst ‒ durch Hut, lange Haare und Sonnenbrille immer sofort erkennbar ‒ werden zum Thema.

 

Watercolor illustration of a person with long hair wearing a brown cowboy hat with a white star and large red sunglasses, signed and dated “95” in the bottom right corner.     A minimalistic watercolor and ink drawing of a womans profile with long, flowing red hair, strong brow, and an intense expression. The background is white, with the hair blending into soft red washes.

Selbstporträt I und Rotkäppchen I, 1995 © Udo Lindenberg Archiv

Beispiel Rot

Rot ist ein echter Blickfang in Werken wie Selbstporträt I, Rotkäppchen I (beide von 1995) und What’s gonna happen? (2000). Das Selbstbildnis stellt Lindenbergs Konterfei in Braun- und Beigetönen dar ‒ allein die Sonnenbrille im knalligen Rot sticht hervor und lenkt den Fokus auf dieses Markenzeichen. Auch ohne zusätzliche Informationen wird für Betrachter*innen sofort deutlich: Das ist Udo!

Rotkäppchen ist ein Frauenporträt im Profil, in dem nur Rot, mit Ausnahme des in Schwarz gehaltenen Auges, als Farbe verwendet wird. Neben den Lippen sind die Haare der entschlossen dreinblickenden Person in Rot gestaltet. Obgleich der Titel auf die rote Kopfbedeckung des kleinen Mädchens aus dem Märchen verweist, handelt es sich hier vielmehr um eine lange rote Haarpracht. Es ergeben sich Assoziationen zu einer wilden, selbstbewussten Punkerin, die im Gegensatz zur naiven Märchenfigur steht.

In What’s gonna happen? kehrt ein von Alkoholexzessen geplagter Udo Lindenberg der Atlantic-Hotelbar den Rücken zu. Die rot getönten Hautpartien lenken den Blick auf das Gesicht – und auf die darin eingeschriebene Verzweiflung. Die Farbe Rot akzentuiert somit nicht nur bestimmte Bildpartien, sondern vermittelt auch Emotion und gibt vermeintlich einen Einblick in die Psyche Lindenbergs. In diesem Werk spielt außerdem die Schrift (What’s gonna happen?) eine wichtige Rolle ‒ doch dazu beim nächsten Mal mehr.

A colorful sketch of a person in a wide-brimmed green hat and jacket, hands clasped, with abstract shapes to the right. Text below reads, Whats gonna happen? 2000.

What’s gonna happen?, 2000 © Udo Lindenberg Archiv

 

Viele Likörelle mehr könnten hier aufgeführt werden: Der Babelsberger mit überdimensionalem Sektglas oder das im Blue Curaçao-Blau ertrinkende Alkoholmädchen I, die Begegnung der Herren Mr. Cock und Mr. Tail. Doch zu viel soll nicht verraten werden: Noch bis zum 23. November können in der LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen Aussehen und Wirkung der Likörelle ausführlich kennengelernt und studiert werden. Welches ist euer Lieblings-Likörell?

Lena Elster


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