Tabula rasa – vom weißen Blatt zum Katalog
28. August 2020 Von Kuratorin Linda Schmitz-Kleinreesink
„Die
Druckermaschine muss regelmäßig so laut piepsen, das hat was mit der Sicherheit
zu tun. Stell dir mal vor, da fällt einer zwischen, den hörst du nicht, wenn er
schreit!“, so erklärt Thilo Kaiser, Inhaber der Druckerei Basis-Druck in
Duisburg eines der vielen Geräusche, das
die gigantische Maschine macht. Wir stehen vor einer mehrteiligen und
meterlangen Druckermaschine und sind, wie an diesem Tage mehrfach, mal wieder
tief beeindruckt, welch komplexe Prozesse rein mechanisch ablaufen können. Von
einem dicken Stapel wird das Papier heruntergezogen und läuft über mehrere
Rollen mit roter, blauer, gelber und schwarzer Farbe. „CMYK“ sagen sie dazu,
aber dazu später mehr. Am Ende steht der Drucker (hierbei handelt es sich um
die Berufsbezeichnung für einen Menschen und nicht um eine Maschine!) und zieht
einen der großen Druckbögen heraus. „Aah, hier muss noch ‘ne Nuance Gelb weg,
aber nur eine Nuance! Seht ihr das?“ Karo und ich schauen uns an. Trotz
geschultem Auge gebe ich zu: „Nee, sehen wir nicht so richtig…“ Der Drucker
legt die Vergleichsabbildung daneben „Da schaut mal, wenn man die helle Stelle
dort vergleicht, dann sieht man es!“ AAH! Jetzt sehen auch wir es.
Farbabgleichung mit den sogenannten „Proofs“, 2020 © LUDWIGGALERIE |
Linda und Thilo Kaiser prüfen, ob die Drucke mit den „Proofs“ übereinstimmen, 2020 © LUDWIGGALERIE |
Bis
wir vor diesem fertigen Druckbogen stehen konnten, war es ein weiter Weg. Vom
weißen Blatt, hin zum gedruckten Katalog. Ich habe jetzt schon die ersten
Zeilen unter die Überschrift, die ich mir gerade überlegt habe, getippt und
habe den ersten Schritt geschafft. Ein neuer Text entsteht, ein neues Projekt
nimmt Formen außerhalb meines Kopfes an. Genauso ist es auch mit den
Katalogtexten. Man recherchiert, man liest, man überlegt, man recherchiert
wieder, findet KünstlerInnen, sucht LeihgeberInnen und irgendwann stehen alle
Leihgaben für eine Ausstellung fest – dann muss der passende Text dazu
entstehen. Für „Otfried Preußler“ ist relativ schnell klar: Ich brauche einen
Aufsatz, der Preußlers Gesamtwerk erfasst und dabei einen Fokus auf die
IllustratorInnen und damit auf die Bilder zu seinen Geschichten legt.
Wenigstens dafür konnte ich den Corona-Lockdown nutzen: ohne Ablenkung gänzlich
fokussiert schreiben.
Illustrationen von F. J. Tripp, Mathias Weber, Herbert Holzing, Winnie Gebhardt (VG Bild-Kunst, Bonn 2020) zu Otfried Preußler © Thienemann in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH, Stuttgart |
Dabei
entdecke ich eine Dissertation über F. J. Tripp, aus dessen Feder die prägnante
Figur des Räuber Hotzenplotz stammt. Mirijam Steinhauser hat sich ausgiebig mit
ihm beschäftigt, sodass ich sie kurzerhand kontaktierte und erfreulicherweise
als Autorin für unseren Katalog gewinnen konnte. Eine Expertin für Herbert
Holzing, der die holzschnittartigen Tuschezeichnungen für den berühmten Jugendroman
„Krabat“ angefertigt hat, finden wir im Bilderbuchmuseum der Stadt Troisdorf,
wo sich auch der Nachlass des Künstlers befindet. Dr. Pauline Liesen ist sofort
begeistert von einer Kooperation zwischen unseren beiden Häusern und verfasst
einen erhellenden Artikel über Holzing, der auch in unserem Katalog erscheinen
wird. Außerdem wird eine konzentrierte Auswahl der Ausstellung im Anschluss im
Bilderbuchmuseum gezeigt. Nachdem unsere Direktorin Dr. Christine Vogt
feststellt, dass die Preußler-IllustratorInnen nahezu gar nicht
wissenschaftlich bearbeitet wurden, entschließt sie sich dazu, einen
ausführlichen Artikel über Winnie Gebhardt zu verfassen. Damit leistet sie
einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Bildschöpferin vom kleinen
Wassermann und der kleinen Hexe.
Illustration von Winnie Gebhardt aus Otfried Preußler, Die kleine Hexe © by Thienemann in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH, Stuttgart, VG Bild-Kunst, Bonn 2020 |
Wenn
alle Texte geschrieben sind, starten wir in das aufwändige Lektorieren, an dem
viele sehr akribische und unermüdliche Kolleginnen beteiligt sind. Sie
entdecken inhaltliche Fehler, verbessern Formulierungen, kürzen Endlossätze und
finden so auch noch kuriose Tippfehler oder doppelte Leerzeichen. Für diesen
Schritt bin ich immer besonders dankbar, denn im eigenen Text sieht man ab
einem bestimmten Zeitraum gar nichts mehr!
Danach
schicken wir alle Texte zu unserem Gestalter Uwe Eichholz, den wir in der
Zwischenzeit immer wieder mit druckfähigen Bilddaten versorgen. Denn wo viel
Text ist, brauchen wir auch viel Bild! Uwe Eichholz setzt diese vielen
Textseiten mit etlichen Abbildungen in eine sinnvolle und auch sehr bunte
Einheit zusammen. Wir mailen tagelang hin und her: „Kannst du das noch mal
darüber schieben?“, „Das Bild müsste auf
die linke Seite und das andere nach rechts.“, „Oh da hat sich noch ein Fehler
eingeschlichen.“, „Ach setz doch dahinten noch mal eine kleine Abbildung hin.“,
„Ach mach doch noch mal einen Vorschlag.“
Dann
erstellt Uwe die Proofbögen. Dafür setzt er alle Bilder, die im Katalog
abgedruckt werden in ein Dokument und schickt es an die Druckerei. Diese
bringen dann die ausgedruckten Bögen bei uns vorbei, sodass wir alle Bilder
begutachten und auf ihre farbliche Korrektheit prüfen können. Wir sind auf den
ersten Blick zufrieden „Na das sieht doch schon mal sehr gut aus“, urteilt
unsere Direktorin „wobei, diese Kanten hier müssen weg.“ Eine Kollegin fragt:
„War dieses Bild hier im Original nicht heller?“ Manche Abbildungen müssen also
nachgebessert werden, andere sind schon perfekt und für den Druck geeignet.
Wobei Thilo Kaiser noch eine wichtige Sache anmerkt: „Ihr müsst immer bedenken,
das hier ist kein Normlicht!“ Er hält eine kleine Karte unter unsere Lampe, die
eigentlich durchweg denselben Grünton anzeigen müsste. Bei uns schimmert sie
abwechselnd hell und dunkel. „Kein Problem, das prüfen wir sowieso bei uns in
der Druckerei.“
Und genau an diesem Ort geht es im zweiten Teil des Blogartikels weiter…
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