Ton & Tusche: Die 70er – Anfänge, Kneipenkunst & der Weg nach oben

21. Oktober 2025

Wo Sound auf Farbpalette trifft und Kunst auf Musik – das ist Ton & Tusche! In der aktuellen Social-Media-Serie zeichnet Joelle Czampiel Udos musikalischen und künstlerischen Werdegang nach und schlägt dabei stets eine Brücke zwischen einem Album und einem Kunstwerk. Zeit also, das Buch von Udos Diskografie ganz vorne aufzuschlagen und auf eine kleine Zeitreise zu gehen – der Komet saust zurück in die 70er!

 

 A black and white drawing of a mans face merging with a mountain, with a single leafless tree growing from the mountains peak. The word LINDENBERG is written at the bottom.  Three hand-drawn cartoon panels on a Jever Pilsener coaster show two people talking; one raises a finger, the other holds a glass and says “Prost!” Both have exaggerated facial features and long hair.  Three simple, abstract line drawings: the top shows two figures with exaggerated features and the words maise im Pult; the bottom left shows a dancing figure with a large hat; the bottom right shows a running figure with a pointed head.

Lindenberg, 1971 x Kneipenzeichnungen, 1970er Jahre © Udo Lindenberg Archiv

Alles auf Anfang

Verrauchte Hamburger Spelunken und ein einfacher Kellnerblock der Marke Jacobs Kaffee oder Jever: Hier nimmt Udos Geschichte ihren Anfang. 1971 erscheint die Platte Lindenberg. Der große Erfolg bleibt zunächst aus – Udo hat seinen musikalischen Stil noch nicht gefunden. Auch die Striche auf dem Notizblock sind noch ungewiss; die unverkennbare Handschrift, die seine Kunst später prägen wird, steckt noch in den Kinderschuhen.
Knollennasen à la Loriot zeigen die frühen Kneipenzeichnungen und Porträts seines Malgefährten Meise. Sie werden sich im Laufe der Zeit in längliche Formen wandeln.
Doch der Humor ist schon damals ganz Udo: frei Schnauze, unverhohlen, manchmal explizit – insbesondere, wenn Meise in eindeutigen Situationen abgebildet ist. Zwischen all dem blitzt eine leise Melancholie auf, die dem gezeichneten Protagonisten – ohne Hut und Sonnenbrille noch nicht eindeutig als Udo zu erkennen – ins Gesicht geschrieben steht. Bereits hier taucht ein Motiv auf, das ihn begleiten wird: der erhobene Zeigefinger, der Bildaussage und Textzeile gleichermaßen bekräftigt.

 

 A young man with long brown hair and a serious expression looks at the camera. He is wearing a suit and tie. In the top right corner, text reads, UDO LINDENBERG Daumen im Wind. The background is softly blurred.   A sketch in red ink shows nine abstract profiles and faces with varied hairstyles and glasses, arranged in two clusters. The word “Studien” and the signature “Maier” are written above and below the drawings.

Daumen im Wind, 1972 x Studienblatt, 1979 © Udo Lindenberg Archiv

Studieren & Probieren

Mit dem zweiten Album Daumen im Wind (1972) wird der Ton schon sicherer – „der Moment, in dem Udo Lindenberg seine Stimme findet“, schreibt Kurator Frank Bartsch im Ausstellungskatalog.
Auch bildnerisch probiert Udo neue Wege: Auf einem Studienblatt aus dem Jahr 1979 tummeln sich Köpfe in verschiedensten Ausprägungen und Formen. Dieser Künstler ist im Begriff, sich auch zeichnerisch und malerisch einen Namen zu machen.

 

A group of people inside an airplane cockpit, some holding drinks, with one man reading a newspaper. The album cover reads: Udo Lindenberg & Das Panik Orchester - Alles Klar auf der Andrea Doria.  Loose, abstract sketch of an underwater figure with a fishing pole, a yellow fish on the line, and a pink boat on the surface; painted with green and turquoise watercolor washes.  A whimsical cartoon of people and mermaids raising drinks in the ocean near the sinking ship Andrea Doria, with sea creatures like a shark and fish swimming around. The scene is lively and colorful.

Alles klar auf der Andrea Doria, 1973 x Andrea Doria, 1997 und Andrea Doria I, 2002 © Udo Lindenberg Archiv

1973: Endlich der musikalische Durchbruch. Alles klar auf der Andrea Doria – der Moment, in dem der deutsche Rockstar geboren und die deutschsprachige Popmusik endgültig aus der kitschigen Schlager-Ecke befreit wird.
Die Andrea Doria begleitet Udo auch auf dem Papier: 1997 taucht das Schiff noch klein am Bildrand auf, während der Fokus auf einem mysteriösen Wesen im Wasser liegt. In den 2000ern thront Udo selbstbewusst als Galionsfigur auf der Andrea Doria, umgeben von barbusigen Nixen, längst angekommen im Musik-Olymp.

 

Album cover for Ball Pompös by Udo Lindenberg & Das Panik-Orchester. A man in a white suit stands with a woman in a black dress whose bare back is shown, both posing against a neutral background.  A whimsical drawing of two people dancing together, one in a pink jacket and striped pants, the other in a yellow top and white skirt with red heels, both smiling and holding hands.  A whimsical illustration of two people dancing closely together, one wearing a green dress and the other in a burgundy jacket and striped pants. Their arms and legs intertwine as they move, creating a playful, lively scene.

Ball Pompös, 1974 x Carl Brutal I und II, 1995 © Udo Lindenberg Archiv

Weit, weiter, Udo

Ball Pompös (1974) – der Titel ist Programm. Udo kleckert nicht, er klotzt. Das Album zeigt ihn musikalisch wie visuell als Rockstar, Poeten, Bohemien, Sozialkritiker – kurz: als Gesamtkunstwerk.
Die Spießer-Figur des Carl Brutal aus dem Lied Rudi Ratlos verarbeitet Udo 1995 in zwei Papierarbeiten. Unbeholfen schiebt Carl seine ihn überragende Partnerin über das Parkett. Kleine Variationen in Mimik und Haltung verändern den Ausdruck grundlegend: In der einen Variante lächelt Carl selig, in der anderen wirkt er überfordert. Die Tanzenden verschmelzen zu einer Einheit – unklar bleibt, wer hier eigentlich wen führt. Eine treffende Metapher für Udos Blick auf gesellschaftliche Rollenbilder.

 

An illustrated album cover shows a vampire in a top hat attacking a frightened man. Bats fly around a dark, gothic city in the background. Text reads Udo Lindenberg & Das Panik Orchester and Geen Paniek in bold red letters.   Album cover featuring a man with shoulder-length hair wearing a white shirt and dark blazer on a black background. Text reads “Udo Lindenberg & das Panik-Orchester Votan Wahnwitz.”. 

Geen Paniek, 1978 und Votan Wahnwitz, 1975 x Vampir Pink, 1995 © Udo Lindenberg Archiv

Ein Sprung über Grenzen & in düstere Welten

Ein ungewöhnliches Experiment wagt Udo 1978 mit Geen Paniek, einem Album, das buchstäblich Grenzen überschreitet, denn es ist vollständig auf Niederländisch eingesungen. Die Nähe zu seiner Heimatstadt Gronau, unweit der niederländischen Grenze, wird hörbar.
Auch das Cover ist ein Hingucker: einem Schauerroman gleich, mit Vampir, Hut, Fledermäusen und düsterem Schloss. Der Song 0-Rhesus-Negativ, bereits von Votan Wahnwitz (1975) bekannt, kehrt hier in neuer Sprache wieder.
Udos Faszination für Blutsauger findet 1995 ihren bildnerischen Ausdruck in der Collage Vampir Pink. Doch anstatt bedrohlich wirkt der Vampir hier schrill, komisch, riesig. „Pretty in Pink“ statt Finstermann – ein Beweis für Udos Freude am ironischen Bruch mit eigenen Themen.

 

So weit unser kleiner Ausflug durch Udos musikalische Anfänge der 70er. Der Komet schlägt wieder in Oberhausen ein – und natürlich in der Ausstellung Udo Lindenberg. Kometenhaft panisch – Likörelle, Udogramme, nackte Akte & viel mehr. Das ganze Udoversum kommt ins Ruhrgebiet!
Begib dich selbst auf Spurensuche und probiere, Ton & Tusche zusammenzubringen: Welche Zeilen, Figuren oder Themen aus Udos Songs findest du in seinen Bildern wieder?

Lena Elster


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