Wenn die Kunst auf Baustelle trifft: Museum Under Construction

17. Juni 2021

Teil 1

Kunst und Baustelle? Wie geht das zusammen? Entdeckt es selbst den
ganzen Sommer lang in unserem Schlossinnenhof und lest hier schon vorab alles
über dieses besondere Open-Air-Kunstprojekt. Viel Spaß mit unserer dreiteiligen
Interview-Reihe mit den Kuratorinnen Nina Dunkmann, Jenny Liß und Linda
Schmitz-Kleinreesink.

 

Abb. Die Kuratorinnen (v.l.n.r.): Jennifer
Liß, Nina Dunkmann und Linda Schmitz-Kleinreesink vor dem Ausstellungsplakat
von Museum Under Construction, © LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen

Nathalie
Schraven: Wie ist die Idee zur Kunstbaustelle entstanden?

Linda Schmitz-Kleinreesink: Als
feststand, dass unser Museum wegen Sanierungsmaßnahmen für einen längeren
Zeitraum geschlossen ist, haben wir uns entschlossen, den Sommer zu nutzen, um
Oberhausen und der Region weiterhin Kunstgenuss zu bieten. Wir haben dann
unseren schon lang gehegten Plan, den Innenhof zu beleben, endlich in die Tat
umgesetzt!

Jennifer Liß: Den Innenhof zu
bespielen, ist natürlich einladend für unsere kunstinteressierten
BesucherInnen. Aber auch für ein Publikum, das sonst eher selten ein Museum
besucht.

Abb. Logo PriseSalz Crew © PriseSalz Crew

NaS:
Die Bespielung des Schlossinnenhofes erfolgt durch die PriseSalz Crew. Wer
steckt hinter dieser Crew und wodurch zeichnet sich ihre Arbeit aus?

LSK: Die PriseSalz Crew besteht aus
vielen KünstlerInnen, die sehr gut darin sind, Räume zu bespielen und
großformatig sowie ortsspezifisch zu arbeiten. Unsere AnsprechpartnerInnen sind
dabei Aaron.St und Ursula Meyer.

Nina Dunkmann: Die Crew beschäftigt
sich viel mit Street Art, Festivals und Bühnenbau – auch im soziokulturellen
Bereich. Uns ist es wichtig, nicht nur eine Installation einzukaufen, sondern
es nahbar und lebendig zu halten.

JL: Da ist es noch mal interessant,
dass die PriseSalz Crew nicht nur die Installation aufstellt, sondern auch an
den DJ-Abenden bis hin zum Catering mit auftaucht. Sie ist also in vielerlei
Hinsicht gestalterisch motiviert. Es wird auf jeden Fall sehr viel zu entdecken
geben, auch wenn man an die Gestaltung der Hütten denkt, die auf dem Innenhof
stehen werden.

ND: Da steckt eine komplette
Ideologie hinter und – deshalb sagen wir auch, dass der Innenhof zum Kunstwerk
wird – das erweitert den klassischen Kunstbegriff. Weg von gerahmten Gemälden
hin zu Urban Gardening, Street Art und Musik – da sind unterschiedliche Talente
vereinigt.

Abb. Atmosphäre © PriseSalz Crew

NaS:
Der Ruhrgebiets-Künstler Aaron.St ist Teil der PriseSalz Crew. Welche Bedeutung
hat dieser regionale Bezug für die Kunstbaustelle und für die LUDWIGGALERIE?

ND: Die regionale Szene ist meist
darüber vertreten, dass es für sie im Kleinen Schloss Ausstellungen gibt. Ich
habe aber schon häufiger mit regionalen KünstlerInnen gearbeitet, die im
klassischen Ausstellungskontext gar nicht darstellbar sind. Jetzt bieten wir
ihnen für ihre Kunst den Innenhof als Bühne.

LSK: Wir haben auch immer wieder
Strukturwandel-Ausstellungen gezeigt, die viel vom Kohlenpott und einem durch
Nostalgie verklärtem Bild desselben berichteten. Heute aber wird der Pott von
einer anderen Generation geformt. Viele der ehemaligen Industriebrachen sind
nun Festivalplätze oder Kulturorte. Genau das sieht man an den Arbeiten der
PriseSalz Crew sehr gut – dass sie mit dem Raum noch mal ganz anders umgeht.

ND: Ich glaube auch, dass sie sich
von diesem sehr konstruierten Ruhrgebietsbezug – wie es ihn vielleicht in den
90ern gab – freigemacht haben. Das ist eine andere Generation, die sich ganz
natürlich durch diese Räume bewegt und für die das verstaubte Kohlenpott-Image
keine Rolle mehr spielt. Sie betrachten den Ort als eine möglichst hippe
Region, in der sie arbeiten und deren Vorzüge sie nutzen.

Abb. Wunschmaschine © Aaron.St,
PriseSalz Crew

NaS:
Neben dem wechselnden Programm habt ihr auch zwei feste Installationen. Die
großflächigen Formate von Ursula Meyer und die Wunschmaschine in Form einer
Murmelbahn von Aaron.St. Was steckt hinter diesen Kunstwerken? Warum habt ihr
diese zwei ausgewählt?

LSK: Im Außenbereich ist klar, dass
wir schon allein aufgrund der Größe eine Installation brauchen. Wir haben
gesehen, dass die PriseSalz Crew da super erfahren und innovativ ist. Dann
fanden wir die Idee einer Wunschmaschine von Aaron überzeugend. Vor dem
Hintergrund, dass man nach den Corona-Beschränkungen endlich wieder Kunst
genießen kann, bietet das Werk einen schönen Anknüpfungspunkt: Man kann sich
mit seinen persönlichen Wünschen, Gedanken und Hoffnungen beschäftigen. Da wir
in unserem Museum regelmäßig Bilder ausstellen, wollten wir auch diesem Aspekt
seinen Raum geben, sodass die Idee, eine großformatige Malerei von Ursula Meyer
an der Fassade anzubringen sehr überzeugend ist.

ND: Das zeigt auch wieder die
Bandbreite, die Kunst entfalten kann. Die Wunschmaschine ist partizipativ. Man
wirft eine Murmel hinein und löst die Maschine aus. Das Werk verändert sich bei
Dunkelheit, es hat Licht und bewegliche Elemente. Es lohnt sich also, immer wieder
zu kommen. Ursula malt auch für den öffentlichen Raum. Es ist nicht ihr
Hauptanliegen, Leinwände zu gestalten, sondern sie arbeitet eigentlich immer
ortsspezifisch. Deswegen ist es für uns sehr spannend, sie am Schloss etwas
entwickeln zu sehen. Wir sind gespannt, wie es am Ende aussieht.

LSK: Das ist vielleicht für uns als
Kuratorinnen eine der größten Herausforderungen. Dass wir nicht wie sonst
üblich vorher etwas auswählen, sondern „nur“ die KünstlerInnen bestimmen
konnten, aber nicht das Werk.

Abb. Wham, 2020 © Ursula Meyer,
PriseSalz Crew, Foto Andrea Kiesendahl

 

Autorin: Nathalie Schraven


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